Irgendwas arbeitete in mir und ich musste unbedingt Laufen gehen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal draußen Joggen war und dazu noch im Wald. Es war, als wurde ich magisch von ihm angezogen.

Ich lief los. Es ging gleich ziemlich Bergauf und nach kurzer Zeit ging ich schon wieder Es war wirklich lange her, dass ich in der Natur gejoggt bin. Aber es machte mir nichts aus, ich war draußen und ich konnte merken, wie es immer weiter in mir arbeitete und sich etwas den Weg nach draußen suchte.

Gehen und Laufen wechselten sich alle paar hundert Meter ab. Mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf, viele davon ziemlich destruktiv. Warum tat ich das? Warum hatte ich nur so oft so merkwürdige Gedanken in meinem Kopf, obwohl ich genau wusste, was ich damit ins Rollen bringen konnte. Ich war mir der Kraft meiner Gedanken doch schon lange bewusste und genauso der Wirkung, die meine Gedanken bereits in meinem Leben verursacht hatten.

Ich lief weiter. Ich konnte die Wärme der Sonne auf meiner Haut spüren. Ein paar Waldarbeiter fällten gerade Bäume. Vorsichtig joggte ich an ihnen vorbei, darauf achtend, dass nicht gerade jetzt ein Baum umfiel. Spannend, was einem manchmal so für Gedanken in den Kopf kamen.

Ich wurde langsam ruhiger. Meine Gedanken wechselten von dunkel auf hell und dann wieder auf dunkel und wieder auf hell. Der Waldweg war ein Ebenbild meiner Gedanken, mal ein wenig bergauf und dann wieder bergab. Spannend, so hatte ich das beim Laufen gar nicht gesehen.

Ich wusste, dass bald am Wegrand eine Bank kommen würde. Ich hatte mir schon vorgenommen, dort einen Moment auszuruhen und meine Gedanken schweifen zu lassen. Aber ich hätte nicht vermutet, was dort auf mich wartete. Ich joggte die letzten Meter zur Bank und ganz plötzlich war es, als wenn eine Tür geöffnet wurde…Tränen der Trauer liefen mir in Strömen über das Gesicht und ich konnte sie nicht stoppen. Aber etwas war anders, als wenn ich sonst weinte. Das Weinen fühlte sich an wie eine innere Reinigung, wie ein Loslassen von etwas. Ich hatte das so noch nicht erlebt.

Noch immer tränenüberströmt setzte ich mich auf die Bank und versuchte, Kontakt zu mir aufzunehmen. Es ging zunächst nicht und ich hatte das Gefühl, mich zwischen Traum und Realität zu bewegen. Wie magisch von der Bank angezogen legte ich mich auf sie und blickte in den Himmel. Über mir sah ich die Äste der Bäume, an denen erste zarte Blätter und Blüten hingen. Wann hatte ich das letzte Mal so in den Himmel geblickt? Nach ein paar Sekunden konnte ich einen Vogel über mir erkennen, der seine Kreise zog.

Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass er mich beobachtet. Würde er gleich zu mir nach unten kommen? Gewundert hätte es mich nicht. Aber er flog weiter seine Runden, zuerst noch recht klein und dann immer größer, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte

Ich schloss die Augen und ging ganz im Moment auf. Ich konnte den Wind in den Blätter und Sträuchern um mich herum rascheln hören, ich konnte die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht fühlen und ganz plötzlich geschah etwas. Hatte ich eben noch den Vogel beim Fliegen beobachtet, überkam mich selbst jetzt ein ganz tiefes Gefühl der Ruhe und des Vertrauens. Ich konnte wahrnehmen, wie ich selbst die Arme ausbreitete und mich fallen ließ. Und wo bisher immer die Angst war, ins Bodenlose zu fallen, war mit einem Mal die Sicherheit, dass ich Flügel hatte, die mich immer tragen würden. Ich konnte fliegen. Es gibt keine Worte, die dieses Gefühl beschreiben können, was ich in diesem Moment empfand.

Ich verstand und ich fühle es auch, dass der wichtigste Mensch in meinem Leben ich selbst war. Und ich verstand auch, dass ich nur dann ganz in meine Kraft kommen würde, wenn ich mich von außen nach innen fallen lassen und beginnen würde zu fliegen.

Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben.

 

 

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