Es gab viele Momente  in meinem Leben, in denen ich das Gefühl hatte, nirgends hinzugehören, nicht verwurzelt zu sein. Jedoch habe ich mir bis heute nur wenig Gedanken darüber gemacht, was es denn eigentlich für mich bedeutet, Wurzeln zu haben oder an einen festen Platz zu gehören.

„Warst du wirklich nicht verwurzelt – oder wolltest du es gar nicht sein?“

Diese Frage kam mir in den letzten Tagen in den Sinn und lies mich nicht mehr los. Wollte ich vielleicht gar nicht fest irgendwohin gehören, weil ich damit Stillstand und Enge verband? Was bedeutet es denn eigentlich, Wurzeln zu haben?

Nun, es bedeutet viel mehr und gleichzeitig viel weniger, als du es dir oft denkst. Dein Verstand sagt dir, dass Wurzeln dich an einer Stelle anhaften lassen und du somit dorthin gehörst und nicht mehr wegkommst. Jedoch möchtest du eben genau dies nicht – deine Flexibilität und Freiheit aufgeben. Genau aus diesem Grund hast du beschlossen, keine oder nur sehr schwache Wurzeln an einem Ort zu schlagen. Und genau deswegen hast du in deinem Leben bisher sehr oft das Gefühl gehabt, dass dir nichts gelingen, dir alles aus der Hand gleiten und du keinem Sturm wirklich standhalten würdest.

Und jetzt frage ich dich: Wie sollst du zur vollen Blüte heranreifen, wenn du nicht bereit bist, deine Wurzeln tief in die Erde zu graben, um damit einen festen und stetigen Halt in deinem Leben zu haben? Zu verwurzeln bedeutet, sein Wesen von einer sicheren, Halt gebenden Basis auszurichten und sich damit die Möglichkeit zu schaffen, seinem Herzen zuzuhören und ihm zu folgen.

Nur wenn du stark und stetig in der Erde verwurzelt bist, wirst du in der Lage sein, auch in stürmischen Momenten deines Lebens deinen Kurs zu halten. Dann werden sich deine Äste im Wind wie von selbst wiegen lassen und dich in deiner ganz eigenen Balance halten.

Tief verwurzelt zu sein bedeutet also, gleichzeitig flexibel und durch festen Halt den vielen Situationen und Momenten deines Lebens gewachsen zu sein.

Im Yoga gibt es die Asana für den Baum oder auch Vrkasana (Sanskrit: वृक्षासन).

Diese Übung gehört zu den Grundlagen-Übungen im Yoga und dient vor allem der Konzentration und Stärkung des Gleichgewichtes, aber auch dem Ausgleich und der Entspannung. Du stärkst mit dieser Übung auch deine innere Klarheit und Fokussierung.

Du stehst dabei auf einem Bein, zunächst vielleicht etwas wackelig. Aber wie ein Baum wirst du nach und nach einen festen Stand für dich erleben, wenn du dich tief in Gedanken und damit auch mit deinem Körper, deinem Standbein, in die Erde verwurzelst.

Übung – Baum (Vrkasana)

  1. Verwurzelt-sein-Der-Baum-400x400-1442007Stelle dich zunächst mit beiden Beinen gerade hin. Lass deine Arme locker neben deinem Körper hängen. Atme mehrmals tief ein und aus. Komme ganz im Augenblick und bei dir an.
  2. Spüre während du ein- und ausatmest tief in dich hinein. Lenke deine Aufmerksamkeit auf deine Wirbelsäule, lasse diese ganz gerade werden. Stelle dabei dir vor, sie wächst über dich hinaus. Lass deine Augen dabei offen und schaue nach vorne. Genieße für einige Atemzüge die sich in die ausbreitende Stille.
  3. Lenke mit der nächsten Einatmung die Aufmerksamkeit zurück in deinen Körper und weiter in deine Beine und deinen Bauch. Spanne deine Muskeln an und strecke deine Arme seitlich. Verlagere dabei dein Gewicht auf dein rechtes Bein.
  4. Hebe im nächsten Schritt deinen linken Fuß an und legen ihn an die Innenseite deines rechten Oberschenkels, möglichst knapp über deinem Knie. Achte darauf, dass deine Hüfte dabei geöffnet ist und dein linkes Knie seitlich von dir wegzeigt.
  5. Führe deine Hände vor deiner Brust zusammen und richte deinen Blick geradeaus. Spüre nun die Anspannung in deinem ganzen Körper, von den Füßen über deine Beine, deine Wirbelsäule und deinen Rücken bis in deinen Kopf. Atme weiter tief ein und aus.
  6. Stelle dir vor, wie aus deinem rechten Fuß Wurzeln in die Erde direkt unter dir wachsen. Spüre, wie sich diese ausbreiten und deinen Stand immer fester und stabiler werden lassen. Gebe dich der Verwurzelung hin. Vertraue darauf, dass deine Wurzeln ihren Weg finden werden und dich genau da halten, wo du gehalten werden sollst. Spüre die Stärke und Kraft in dir.
  7. Strecke jetzt deine Arme und Hände über deinen Kopf und lass deinen Blick langsam mit nach oben wandern. Spüre dabei weiterhin die kraftvollen Wurzeln unter dir. Wurzeln, die dir auch Flexibilität schenken, deinen Körper sanft wiegen lassen können.
  8. Verweile einige Sekunden oder Minuten in dieser Position, fühle deine Wurzeln, deine Flexibilität, deine Kraft, deine Stärke.
  9. Lenke dann deine Aufmerksamkeit wieder zurück in deinen ganzen Körper. Lass deinen linken Fuß wieder langsam sinken und führe deine noch geschlossenen Hände zurück vor deine Brust. Atme noch einmal einige Atemzüge tief ein und aus. Spüre die Dankbarkeit, die dich jetzt durchströmt.
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